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Geheime Vorgänge der Zellwandbildung erstmalig enthüllt

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2021-02-23 09:17:00 / Aktuelles
Geheime Vorgänge der Zellwandbildung erstmalig enthüllt - Geheime Vorgänge der Zellwandbildung enthüllt| Blog | MedSolut

Wer sich einmal Pflanzen unter dem Mikroskop angeschaut hat, wird bereits die faszinierenden filigranen Muster gefunden haben, die von Pflanzenzellen gebildet werden können. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie und von der Universität Wageningen konnten jetzt die Bildung dieser Zellstrukturen und speziell der Zellwände erstmals im Detail untersuchen. Dazu verwendeten sie neben hoch spezialisierter Gentechnik auch optische Analyseverfahren und komplizierte Auswertealgorithmen. So konnten sie immer tiefer in die Geheimnisse der Zellwandbildung eintauchen.

Ausgeklügelte Transportsysteme für Wasser und Nährstoffe

Damit Pflanzen Nährstoffe in die Höhe transportieren können, benötigen sie ein kompliziertes Geflecht von verschiedenen Zellen, die spezialisierte Aufgaben erfüllen. Gerade die röhrenförmigen Hohl-Strukturen, auch Xylem genannt, sind hierbei von besonderem Interesse. Zum einen sind diese faszinierenden Zellen für das Pflanzenwachstum zuständig. Sie bilden besonders stabile Zellwände aus, die sogenannten Sekundärwände, die sich zu einem komplizierten und filigranen Muster zusammenfügen. Anschließend sterben die Zellen ab, werden hohl und letztendlich zur Verfestigung mit dem Holzgrundstoff Lignin gefüllt. Diese so wundersam entstandenen stabilen Strukturen werden dann Teil des perfekt ausgeklügelten Nährstoff-Transportsystems.

Die Größe der Xylem-Strukturen bestimmt jedoch auch maßgeblich, wieviel Wasser und Nährstoffe Pflanzen transportieren können und damit auch, wie gut sie an klimatische Bedingungen angepasst sind. Wie sich diese Xylemgefäße bilden und wie sie sich anpassen können, war bisher wenig erforscht. Umso wichtiger, dass sich Dr. Rene Schneider vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie und Dr. Kris van’t Klooster von der Universität Wageningen mit dieser Thematik genauer beschäftigten.

Mikrotubuli erschaffen faszinierende Strukturen

Ein besonderes Augenmerk legten die Wissenschaftler hierbei auf die Entstehung der stabilen und faszinierend geordneten Zellwandstrukturen. Bei Ihrer Forschung drangen sie immer tiefer in die geheimen und scheinbar perfekt aufeinander abgestimmten Prozesse der Pflanzenphysiologie ein.

Eine erste Erkenntnis war, dass die Zellwände durch Einlagerung von Zellulose stabilisiert werden. Diese Einlagerung scheint jedoch nicht zufällig zu sein, sondern wird durch eine große Anzahl an verschiedenen Proteinen in der Zelle unterstützt und gesteuert. Woher wissen aber die Proteine, wo sie sich anlagern müssen?

Hier helfen die sogenannten Mikrotubuli, kleine röhrenförmige Strukturen, die wie Fließbandarbeiter die Proteine an die richtigen Stellen bringen. Die Anordnung und Verteilung der Mikrotubuli ist also gleichzeitig die Vorlage für die spätere Zellwand-Struktur. Wie und warum sich die Mikrotubuli anordnen und sich so organisieren, dass schlussendlich die filigranen Muster entstehen, war nun die nächste Frage.

Mit gentechnischen Ansätzen Strukturen sichtbar gemacht

Für ein noch tieferes Eintauchen in die Bildung der geheimnisvollen Strukturen stand dem Team jedoch der komplexe Aufbau der Pflanzen im Weg. Da die Xylemzellen von vielen verschiedenen Zellschichten überdeckt werden, konnten die Vorgänge im Inneren sehr schlecht beobachtet werden. Hier griffen die Wissenschaftler auf einen Kniff zurück: Sie nutzten neue Ansätze der Gentechnik, um diese Fragestellung lösen zu können.

Als Modellpflanze diente ihnen die Acker-Schmalwand (lat. Arabidopsis thaliana), eigentlich ein unscheinbares und weit verbreitetes Unkraut. Die Forscher modifizierten die Zellen der Acker-Schmalwand so, dass nicht nur die Zellen im Inneren der Pflanze, sondern alle Zellen in der Lage sind, Xylem und damit die sekundären Zellwände auszubilden. Dafür entwickelten die Forscher die Technologie des „Genschalters“ und konnten damit die Zellen dazu bringen, mit der Zellwandproduktion zu beginnen. Besonders außen liegende Zellen, die sogenannten Epidermiszellen, waren nun unter dem Mikroskop besonders gut beobachtbar.

Faszinierende Prozesse unter dem Mikroskop

Für die detaillierte Untersuchung des Prozesses der Zellwand-Entstehung entwickelten die Wissenschaftler zusätzlich ein automatisiertes Bildgebungsverfahren. Mit dessen Hilfe konnte der Prozess der Zellwand-Bildung erstmalig aufgenommen und digital ausgewertet werden.

Die Forscher konnten beobachten, dass sich zunächst gleichzeitig über der gesamten Zelle die Mikrotubuli in Bändern anordnen und erste Strukturen bilden. In weiteren Schritten wurden die Strukturen immer weiter verfeinert und angepasst. Dazu wuchsen die Mikrotubuli in den Bändern stetig und wurden gleichzeitig in den Lücken abgebaut. Am Ende war eine gleichmäßige Verteilung der Bänder sichtbar, die dann auch für den Rest des Zelllebens bestehen blieb.

Das Untersuchungsteam musste bei den Forschungen Geduld aufwänden. Während die Bildung der gleichmäßig und parallel angeordneten Bänder ungefähr zwei Stunden benötigte, war der Prozess bis zu einer vollständig funktionierenden wasserleitenden Zelle eine Sache von Tagen. Mit den Untersuchungen konnte aber auch mithilfe von Computersimulationen ein weiteres Protein mit Namen Katanin identifiziert werden. Dieses scheint für die Bildung und den Abbau der Mikrotubuli und damit auch für den schnellen und geordneten Aufbau der Muster verantwortlich zu sein.

Mit eigener Forschungsgruppe weiter auf der Spur der Zellwandbildung

Noch sind die Forschungen hier jedoch nicht an ihrem Ende angelangt. Die Steuerung der Anordnung und die Wirkung des gefunden Proteins Katanin kann entscheidend dafür sein, dass Pflanzen in der Lage sind, sich an ändernde Umweltbedingungen anzupassen. Deshalb möchte Dr. Rene Schneider auch in den nächsten Jahren die Forschung an der Bildung der sekundären Zellwände weiterführen.

Unterstützt wird er hierbei durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und ihr renommiertes Emmy-Noether-Programm. Eine Förderung in Höhe von 1.3 Mio Euro erlaubt ihm, eine Forschungsgruppe in Potsdam aufzubauen und in-vivo (direkt in der lebenden Pflanze) und in vitro (an aus der Pflanze entnommenen Teilen) die genetischen Prozesse der Zellwandbildung weiter zu untersuchen. Möglicherweise können dann zukünftig Pflanzen gentechnisch so verändert werden, dass sie auch unter ungünstigen klimatischen Bedingungen wachsen und gedeihen können.

 

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